Dein Weg zu mehr Selbstkontakt und Lebendigkeit
- Chantal Wolfisberg
- 6. Sept.
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 6 Tagen
Funktionierst du im Alltag, ohne dich ganz mit dir selbst verbunden zu fühlen?
Erlebst du in bestimmten Situationen oder Beziehungen wiederkehrende Muster – ohne zu wissen, woher sie kommen?
In der Integrative Bodypsychotherapie (IBP) erforschen wir genau diese Dynamiken:
Welche unbewussten Prägungen steuern dein Leben?
Wie kannst du sie lockern?
Und wie findest du wieder mehr Kontakt zu deinem Kernselbst?
Das IBP-Schalenmodell: Die vier Schichten der Persönlichkeit
Das Schalenmodell von IBP beschreibt die Persönlichkeit als ein System mit vier konzentrischen Kreisen: ein Zentrum – das Kernselbst – umgeben von drei Schichten: Herkunftsszenario, Schutzstil (defensive Kompensation) und offensive Kompensation (früher Agency genannt).

Diese Schichten bestimmen, wie wir fühlen, denken und handeln. Je bewusster wir uns ihrer werden, desto freier können wir unser Leben gestalten.
Das Kernselbst – dein Wesenskern
Im Zentrum deiner Persönlichkeit liegt dein Kernselbst – dein ureigenes Wesen, das bereits ab der Zeugung in dir angelegt ist. Es umfasst deine Lebendigkeit, dein Potenzial und deine intuitive Weisheit. Wenn du mit deinem Kernselbst verbunden bist, spürst du innere Klarheit und ein tiefes Wohlbefinden. Du fühlst dich zuhause in dir, geborgen und voller Lebenskraft. Dein Spüren, Fühlen, Denken und Handeln sind stimmig und situationsadäquat – du begegnest dem Leben offen und zugewandt und erlebst es als kohärent und sinnerfüllt.
Damit sich das Kernselbst gesund entfalten kann, braucht es unterstützende Erfahrungen durch unsere primären Bezugspersonen wie:
Bindung: Ein Gefühl von sicherer Zugehörigkeit
Emotionale Einstimmung: Wahrgenommen und verstanden werden
Autonomie: Die Freiheit, sich individuell zu entfalten
Doch kein Mensch wächst unter idealen Bedingungen auf. Erfahrungen von Nicht-Gesehen-Werden, emotionalem Mangel oder Verletzungen legen sich wie eine Decke über das Kernselbst und beeinflussen unser Verhalten und unsere Beziehungen.
Das Herkunftsszenario – Spuren aus der Vergangenheit
Unser Herkunftsszenario ist die Bühne, auf der unser Leben beginnt. Es umfasst:
den kulturellen, gesellschaftlichen und familiären Hintergrund, in den wir hineingeboren werden,
die prägenden Bezugspersonen unserer Kindheit und
die unbewussten Regeln und Glaubenssätze, die uns mitgegeben wurden.
Manche dieser Prägungen sind nährend und unterstützend, andere hingegen einengend, belastend oder gar traumatisierend. Wir übernehmen diese familiären Muster oft unreflektiert und wiederholen sie, selbst wenn sie uns nicht guttun.
Besonders prägend sind emotionale Verletzungen, die in zwei Hauptformen auftreten:
Verlassenheitsverletzungen:
Diese entstehen, wenn das kindliche Bedürfnis nach Nähe, Liebe und Bindung nicht ausreichend beantwortet wird und erschüttern das Vertrauen des Kindes in die Verlässlichkeit und Kontinuität von Beziehungen. Das kann geschehen durch:
Fehlende emotionale Verfügbarkeit der Bezugspersonen
Vernachlässigung oder Zurückweisung
Häufige Trennungserfahrungen
Verlassenheitserfahrungen lösen beim Kind existenzielle Ängste davor aus, allein gelassen zu werden und verloren zu sein. Das Kind lernt: «Ich bin nicht wichtig», «Ich bin nicht liebenswert» oder «Ich kann mich auf niemanden verlassen».
Überflutungsverletzungen:
Diese entstehen, wenn das Bedürfnis nach eigenem Raum, stimmiger Distanz und Autonomie missachtet wird, z.B. durch:
Übergriffige oder kontrollierende Erziehung
Subtile bis heftige verbale, emotionale, körperliche oder sexuelle Gewalt
Überforderung durch die Erwartungen der Eltern
Diese Verletzungen überfordern die Bewältigungskapazität des Kindes (zu viel, zu nah, zu schnell, zu heftig etc.) und erschüttern sein Sicherheitsgefühl. Es verliert das Vertrauen, dass es selbst, seine Bedürfnisse und Gefühle respektiert werden und, dass die Menschen es prinzipiell gut mit ihm meinen. Hier lernt das Kind: «Ich zähle nicht» oder «Ich habe kein Recht auf eigenen Raum und Grenzen».
Viele kindliche Verletzungen haben sowohl eine Überflutungs- wie auch eine Verlassenheitskomponente. Fast jede Überflutung geht mit Gefühlen von Verlassenheit und Einsamkeit einher, weil das Kind in seinem Wesen, seinen Bedürfnissen oder seinem Eigenraum nicht gesehen und respektiert wird.
Um diesen Schmerz nicht ständig zu spüren, entwickelt jedes Kind Abwehrstrategien – den sogenannten Schutzstil.
Der Schutzstil – Kreative Anpassung mit Langzeitwirkung
Wenn wir als Kinder emotionale Verletzungen, Überforderung oder ein Mangel an verlässlicher Zuwendung erleben, suchen wir instinktiv nach Wegen, damit umzugehen. Können wir das Erlebte nicht verarbeiten, entwickeln wir Schutzstrategien. In der Integrativen Körperpsychotherapie (IBP) nennt man sie defensive Kompensationsstile – früher bekannt als Schutz- oder Charakterstile. Sie wirken wie eine Ritterrüstung: nach aussen stark, wehrhaft und schützend, nach innen dämpfend, um den erlebten Schmerz nicht mehr zu spüren und das empfindliche Herz vor erneutem Schmerz zu bewahren.
Diese Strategien waren in der Kindheit überlebenswichtig. Sie sind Ausdruck unserer kindlichen Intelligenz und Anpassungsfähigkeit, und halfen uns, in einer herausfordernden Umgebung Sicherheit und Orientierung zu finden. Doch was uns einst rettete, kann uns im Erwachsenenalter behindern. Oft sind uns diese Muster nicht bewusst. Sie beeinflussen, wie wir uns selbst sehen, wie wir Nähe zulassen oder abwehren, und welche Beziehungserfahrungen wir überhaupt machen können. Häufig verhindern sie genau das, wonach wir uns zutiefst sehnen: Verbundenheit, Ruhe, Lebendigkeit und authentische Begegnungen.
Drei Grundtypen nach Jack Lee Rosenberg, dem Begründer von IBP:
Never Enougher – Es ist nie genug

Menschen mit diesem Stil haben meist frühe Verlassenheitserfahrungen gemacht und ihre Grundangst ist nach wie vor verlassen zu werden. Sie können und wollen nicht allein sein und gehen leicht Kompromisse ein, um die – oft nur vermeintliche – Gefahr des Verlassenwerdens abzuwenden: «Ich tue alles nur verlasse mich nicht».
Sie sehnen sich zutiefst nach Bindung, Resonanz und emotionaler Sicherheit. Um diese zu sichern, richten sie sich stark nach aussen, suchen Zustimmung, sagen automatisch Ja zu Wünschen anderer – und verlieren dabei sich selbst. Nähe fühlt sich nie ganz erfüllend an. Eine innere Leere bleibt, weil echte Selbstverbindung fehlt.
In der Partnerschaft wünschen sich Verlassenheitstypen oft viel Nähe, Intimität und Kuscheln – am liebsten unter einer gemeinsamen Decke. Sie sehnen sich nach einer symbiotischen Beziehung ohne klare Grenzen. «Zu nahe» gibt es für sie nicht. Dadurch geraten sie leicht in Abhängigkeiten – und versuchen unbewusst auch andere an sich zu binden, um sich vor dem Verlassenwerden zu schützen.
Super Trouper – Abstand ist Sicherheit

Dieser Stil ist meist eine Reaktion auf Überflutungsverletzungen. Nähe wurde als Kind als gefährlich erlebt – sie war vereinnahmend, überwältigend oder schmerzhaft. Also schafft man Distanz: durch Unabhängigkeit, Selbstgenügsamkeit oder emotionale Zurückhaltung. Kontrolle wird zum Schutzschild. Diese Menschen zeigen sich stark und autonom, doch innerlich bleibt oft ein Gefühl von Einsamkeit. Ihre Überzeugung: «Ich komme allein klar.» Oder: «Wer mich liebt, soll mich in Ruhe lassen.»
Der Überflutungstyp hat meist klare, oft rigide Grenzen, fast wie Mauern, hinter denen er sich abschottet. Freiheit und Unabhängigkeit sind zentrale Werte. Sein Auftreten wirkt sachlich, kühl, rational – das gibt ihm Sicherheit. Der Körper wird oft nur bei intensiver Anstrengung gespürt. Sport kann deshalb eine zentrale Ressource sein. Auch beruflich sind sie häufig erfolgreich: fokussiert, leistungsfähig, zuverlässig.
As-if-Typ – der ewige Tanz zwischen Nähe und Distanz

Viele Menschen tragen beide Verletzungsformen in sich – Verlassenheit und Überflutung. Daraus entsteht ein ambivalenter Stil: Nähe wird gesucht und gleichzeitig gefürchtet. Das Verhalten wirkt widersprüchlich: mal offen und zugewandt, dann wieder distanziert oder abweisend.
Innerlich bleibt das Erleben diffus, das eigene Ich unscharf. Beziehungen fühlen sich oft «unecht» an, als ob etwas fehlt. Die Frage «Wer bin ich wirklich?» bleibt unausgesprochen im Raum.
Dieser Mischtyp ist der häufigste – und oft herausforderndste – defensive Kompensationsstil. Zwei gegensätzliche Impulse wirken gleichzeitig: Der eine sucht Nähe, der andere Distanz. Ist die Angst vor Alleinsein beruhigt, meldet sich die Angst vor Vereinnahmung. Ist wieder Distanz geschaffen, taucht die Angst vor Verlassenheit auf. So entsteht ein ständiger innerer Wechsel, der verwirrend ist – für einen selbst und für andere. Ein «ewiger Tanz zwischen Nähe und Distanz».
Wichtig: Keiner dieser Stile ist falsch oder «schlecht». Es sind kreative Antworten einer kindlichen Seele auf das, was damals zu viel, zu wenig oder schlicht unerreichbar war. Doch wenn sie unbewusst bleiben, übernehmen sie die Regie – und führen uns oft in wiederkehrende Konflikte, Missverständnisse und Enttäuschungen.
Die Arbeit mit dem defensiven Kompensationsstil lädt ein, diesen Mustern mit Neugier und Mitgefühl zu begegnen. Sie im Körper zu spüren, ihre Botschaft zu verstehen – ohne Urteil, ohne Eile. Es ist ein stiller, aber kraftvoller Weg zurück zu uns selbst: zu mehr Kernselbstkontakt, zu einem offeneren Herzen, zu innerer Weite.
Leicht ist dieser Weg nicht. Er verlangt Mut, eine Portion Humor und die Bereitschaft, dem eigenen Schatten nicht auszuweichen. Aber es ist ein Königsweg zu langfristig erfüllenden, liebevollen und lebendigen zwischenmenschlichen Beziehungen.
Wenn Anpassung zum Lebensmuster wird
Die äusserste Schicht des Schalenmodells, die sich wie ein Zuckerguss über die anderen Persönlichkeitsschichten legt, beschreibt einen offensiven Kompensationsstil, im IBP früher Agency genannt. Dabei wird der Kernselbstbezug reflexartig aufgegeben: Die Aufmerksamkeit richtet sich nach aussen, und orientiert sich an den Bedürfnissen des Gegenübers. Du stellst dich in dessen Dienst und passt sich ihm an, in der Hoffnung dafür eine Lebensberechtigung, Liebe oder Anerkennung zu erhalten oder zumindest Kontaktabbruch, Kritik, oder Bestrafung zu vermeiden. Das unbewusste Motto lautet: «Wenn ich deine Bedürfnisse erfülle, dann magst du mich.»
Typische Muster und Verhaltensweisen bei einem hohen offensiven Kompensationsstil sind:
Reflexhaftes Ja-sagen, ohne eigene Bedürfnisse zu prüfen
Überanpassung und fehlende Abgrenzung gegenüber den Erwartungen anderer
Helferverhalten, Perfektionismus und das Bedürfnis es allen recht zu machen
Übermässige Verantwortungsübernahme und Schuldgefühle – auch ohne eigenes Verschulden
Kritikempfindlichkeit und starkes Harmoniebedürfnis
Schwierigkeiten körperliche und psychische Grenzen wahrnehmen und respektieren zu können
Ein gewisses Grandiositätsgefühl («Ich kann helfen») bis hin zu einem Sendungsbewusstsein («Ich habe eine besondere Aufgabe»)
Der offensive Kompensationsstil dient oft dazu, eine innere Leere oder das Gefühl, nicht in Ordnung zu sein, zu kompensieren. Manche verlieren sich dabei so sehr, dass sie kaum noch spüren, wer sie eigentlich sind. Mögliche Folgen eines ausgeprägten offensiven Kompensationsstils sind:
Schwierigkeiten, in Beziehungen für die eigenen Bedürfnisse einzustehen
Selbstaufopferung bis hin zur Erschöpfung (Burnout, Depression)
Psychosomatische Beschwerden wie Spannungskopfschmerzen, Migräne, Asthma, Hautprobleme, Reizdarm oder Bandscheibenprobleme
Der Weg zu mehr Selbstkontakt und innerer Freiheit
Im Idealfall würden wir unser Leben direkt aus unserem Kernselbst heraus gestalten – im Einklang mit unseren Körperempfindungen, Gefühlen und Gedanken. Doch je stärker wir mit unseren Mustern identifiziert sind, desto schwieriger wird es, unser Kernselbst zu spüren.
In Anlehnung an Jack Lee Rosenberg könnte man es folgendermassen ausdrücken: «Das Kernselbst ist, wer ich wirklich bin. Mein Herkunftsszenario ist nicht, wer ich bin, sondern was mir als Kind passiert ist. Mein Schutzstil ist nicht, wer ich bin, sondern wie ich versucht habe damit umzugehen. Und mein offensiver Kompensationsstil ist nicht, wer ich bin, sondern wie ich versucht habe, zu dem zu kommen was ich brauchte.»
Persönlichkeitsentwicklung mit IBP bedeutet:
➡ Mehr Kontakt zum eigenen Kernselbst entwickeln
➡ Bewusstheit über die eigenen Muster gewinnen – und damit neue Wahlmöglichkeiten schaffen
Der Schlüssel zur Veränderung ist der konsequente Einbezug des Körpers. Körperübungen und nachnährende Interventionen helfen, wieder einen direkten Zugang zum Kernselbst zu finden und neue Handlungsspielräume zu eröffnen.
Wie sich dieser Prozess auf dein Leben auswirken kann
Wenn du beginnst, deine Muster zu erkennen und mehr aus deinem Kernselbst heraus zu leben, kannst du Veränderungen erleben wie:
Mehr Lebendigkeit und Freude
Echtheit in Beziehungen
Innere Ruhe und Gelassenheit
Kreativität und Selbstbestimmung
Ein tieferes Gefühl von Sinnhaftigkeit
Und jetzt zu dir:
➡ Wo in deinem Leben spürst du, dass du nicht ganz in deinem Kernselbst verankert bist?
➡ Welche Muster zeigen sich immer wieder – und wie könnten sie sich lockern?
➡ Was wäre möglich, wenn du freier, flexibler und mehr in dir ruhend wärst?
Wenn du diesen Weg erkunden möchtest, begleite ich dich gerne dabei. Melde dich über das Kontaktformular bei mir.
Falls du lieber in einer Gruppe arbeitest, bietet das IBP-Institut den Persönlichkeitsmodell-Zyklus in Form von fünf Workshops an:
Lebe deine Kraft – Einführung in das IBP-Persönlichkeitsmodell
Erst komm’ ich…! – Von Agency zu Selbstkontakt
Herzwärts® – Schutzstil / Charakterstil
Mein Raum – Dein Raum – Herkunftsszenario
Ohne Wenn und Aber – Selbstfürsorge und Selbstmitgefühl
Mehr Informationen zur Körperpsychotherapiemethode IBP findest du auf der Website des IBP-Instituts.
Buchempfehlungen zum Thema:
📖 Einführung in die integrative Köperpsychotherapie IBP von Eva Kaul und Markus Fischer
📖 Das Geheimnis der Intimität von Jack Lee Rosenberg und Beverly Kitaen-Morse
Fazit: Dein Weg zu mehr Selbstkontakt und Lebendigkeit
Unsere tief verankerten Muster sind nicht in Stein gemeisselt – sie sind erlernte Strategien, die wir verstehen und verändern können. Je bewusster du dir deiner Prägungen, Schutzmechanismen und Anpassungsmuster wirst, desto mehr Wahlmöglichkeiten eröffnen sich dir. Es geht nicht darum, etwas an dir «reparieren» zu müssen, sondern darum, dich wieder mit deiner ureigenen Lebendigkeit zu verbinden.
Dieser Weg ist kein Sprint, sondern eine tiefgehende Entdeckungsreise. Manchmal erfordert es Mut, sich alten Mustern zu stellen, doch jeder Schritt in Richtung Kernselbstkontakt bringt mehr Freiheit, Tiefe und Echtheit in dein Leben.
Wenn du bereit bist, diesen Weg zu gehen, unterstütze ich dich gerne in Einzelsitzungen, wo ich die Ansätze von IBP mit der Craniosacral Therapie verbinde. Gemeinsam erkunden wir, was dich bewegt und wie du dein Leben mit mehr innerer Klarheit gestalten kannst.
Lass uns den ersten Schritt gemeinsam gehen. Ich freue mich auf dich!
© Chantal Wolfisberg, alle Rechte vorbehalten.
